Endspiel by Ilko-Sascha Kowalczuk

Endspiel by Ilko-Sascha Kowalczuk

Autor:Ilko-Sascha Kowalczuk [Kowalczuk, Ilko-Sascha]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783406618543
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Leipzigs Weg zur Hauptstadt der Demonstrationen

In Leipzig bildeten sich ab 1987 einige neue Oppositionsgruppen, die vor allem ab 1988 öffentliche Proteste initiierten und mit einigen Aktionen über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen sorgten. Zugleich gab es hier wie in vielen anderen Städten seit Ende der siebziger Jahre die Tradition der Friedensgebete. An der Vorbereitung und Durchführung waren in Leipzig die Basisgruppen aktiv und selbständig beteiligt. Nach den Berliner Ereignissen vom Januar 1988 erhielten die Friedensgebete starken Zulauf durch Ausreisewillige. Das geschah im ganzen Land. Und immer wieder kam es nach den Friedensgebeten und Gesprächsrunden zu Demonstrationen – in Schwerin, in Dresden, in Zwickau, in Bautzen, in Erfurt, in Stralsund, in Pasewalk, in Jena, in vielen weiteren Städten und auch in Leipzig, hier sogar das ganze Jahr über. Am 14. März 1988, während der Leipziger Frühjahrsmesse, zog ein Demonstrationszug von etwa 100 bis 120 Personen – nach der Friedensandacht mit 800 bis 900 Teilnehmern in der Nikolaikirche, die direkt im Stadtzentrum liegt – schweigend zur Thomaskirche. Ein Kreis bildete sich auf dem Kirchenvorplatz und man ging anschließend geschlossen zur Nikolaikirche zurück. Das Friedensgebet war von der «Solidarischen Kirche» vorbereitet worden. Die Bilder von der Demonstration zeigten abends ARD und ZDF in ihren Nachrichtensendungen.

Die Kirche war von dieser Umwidmung ihrer Friedensgebete nicht angetan. Zwar existierten Gesprächskreise mit Antragstellern und seit 1986 stand an der «Nikolaikirche – offen für alle», aber die Politisierung der Gebete und das tendenzielle Zusammengehen zwischen Ausreisewilligen und Oppositionellen, die bleiben, aber die DDR verändern wollten, ging vielen zu weit. Superintendent Friedrich Magirius setzte durch, dass künftig die Friedensgebete nicht mehr eigenständig von den Gruppen vorbereitet und durchgeführt werden dürften. Die Gruppen wurden davon im August 1988 informiert. Schon seit dem Frühjahr war es über die Gestaltung zu Auseinandersetzungen gekommen. Den aktuellen Hintergrund gab das Friedensgebet am 27. Juni 1988 ab. Die Kollekte diente der Zahlung einer Ordnungsstrafe in Höhe von mehreren Tausend Mark, die Jürgen Tallig begleichen musste. Er hatte im Februar 1988 in einem Fußgängertunnel ein Zitat von Gorbatschow angeschrieben: «Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen.» Der Staat erhöhte seinen Druck auf die Kirchenleitung nach diesem Montag und diese beugte sich. Magirius entband Pfarrer Christoph Wonneberger, der seit Jahren auf Seiten der Gruppen stand und selbst in der Opposition aktiv war, von der Koordinierung der Friedensgebete.[18] Pfarrer Christian Führer erhielt die Zuständigkeit. Nach der Sommerpause gingen die montäglichen Friedensgebete ab dem 29. August weiter. Es kam mehrfach zu Demonstrationen. Vor allem aber eskalierte der Streit zwischen Kirchen und Gruppen. Erklärungen und Gegenerklärungen kursierten, in der Kirche saßen Gruppenmitglieder am 19. September und am 17. Oktober mit Mundbinden «Redeverbot». Am 24. Oktober demonstrierten in der Nikolaikirche mehrere Gruppenmitglieder mit vier Transparenten, die sich gegen die Einschränkung der Friedensgebete und die gesellschaftlichen Verhältnisse gleichermaßen richteten.

Dieser Konflikt trug dazu bei, dass die Oppositionsgruppen ihren politischen Protest deutlicher als bisher auf die Straßen tragen wollten. Michael Arnold, Uwe Schwabe und Gesine Oltmanns entwarfen einen Aufruf. Aus Anlass des ersten Jahrestages der Berliner Ereignisse forderte die «Initiative zur demokratischen



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